Nach vielen ruhigen Wetterlagen im bisherigen Winter, sorgt das Wetter zum Wochenstart für mehr "action". Tief Odette ist heute verantwortlich für Windspitzen von 50 bis 80 km/h in tiefen Lagen und über 100 km/h auf den Bergen. Aber wieso ist das Winterhalbjahr in unseren Breitengraden die Saison der Stürme?
Winterstürme
Bisher blieben die heftigen Winterstürme in diesem Winter bei uns in der Schweiz aus. Zum Wochenstart kommt nun etwas Bewegung ins Wettergeschehen, es wird windig und zumindest in den Bergen schneereich. Grund dafür ist ein Sturmtief, welches von der Nordsee über die Alpen zur Adria wandert. In Europa kommt es im Winter immer wieder zu Stürmen, die teilweise auch grosse Ausmasse annehmen und massive Schäden anrichten. Genau wie andere europäische Länder wurde auch die Schweiz in der Vergangenheit wiederholt von Winterstürmen heimgesucht. Die Sturmschäden unterscheiden sich dabei von Winter zu Winter stark.
Sturm ist nicht gleich Sturm
Stürme kommen grundsätzlich überall auf der Erde vor. Von einem Sturm wird bei Windgeschwindigkeiten von mindestens 75 km/h gesprochen (Stärke 9 auf der Beaufort-Skala). In der Regel bezieht sich diese Windstärke auf einen 10-minütigen Mittelwert. Wird dieser Mittelwert für nur wenige Sekunden überschritten, dann sind dies Sturmböen. Stürmischer Wind kann durch viele unterschiedliche Arten ausgelöst werden. So gibt es beispielsweise stürmischen Föhn in den Alpentälern (Fallwind) oder Sturmböen als Begleiterscheinung eines starken Gewitters. Die beschriebenen Winterstürme sind grosse aussertropische Tiefdruckgebiete mit einem Durchmesser von teilweise über 1000 Kilometern, also grosse Sturm- oder Orkantiefs mit einem niedrigen Kerndruck.
Tropische Stürme weisen ein noch viel höheres Verwüstungspotenzial auf als unsere aussertropischen Winterstürme, diese Art Sturm wird je nach Region Taifun (Pazifik), Hurrikan (Atlantik) oder Zyklone (Indischer Ozean) genannt. Gelegentlich finden Hurrikans den Weg nach Europa, dabei wandeln sie sich jedoch in aussertropische Tiefs um (extratropical transition).
Die Entstehung von Winterstürmen
Winterstürme entstehen durch besonders grosse Temperaturunterschiede in der Atmosphäre. Diese sind im Winter grösser als im Sommer. Über den mittleren Breitengraden des Atlantiks, wo warme und feuchte Subtropenluft auf kalte Polarluft trifft, liegen die optimalen Bedingungen für die Entwicklung von Sturmtiefs. Ein Tief entwickelt sich dabei umso intensiver, je stärker der Temperaturgradient ist. Ein starker Temperaturgradient bedeutet, dass die Temperatur über eine gewisse Distanz stark zu- oder abnimmt. Die Stürme werden so umso stärker, je höher der Temperaturunterschied zwischen der Polarregion und der Temperatur in der gemässigten Zone ist. Mit gemässigter Zone ist die Region der mittleren Breiten gemeint, die sich durch ein gemässigtes Klima mit vier Jahreszeiten und einer Jahresmitteltemperatur von unter 20 Grad auszeichnet. Zentraleuropa inklusive Schweiz gehört in diese Zone.
Der Jetstream, ein Starkwindband auf etwa 8 bis 12 km Höhe, liegt im Winter weiter südlich als im Sommerhalbjahr. Dieses Starkwindband mit Geschwindigkeiten von über 300 km/h steuert die Zugbahn der aussertropischen Tiefs und ist für die Entstehung der Sturmtiefs daher entscheidend. Macht der Jetstream nämlich grosse mäandrierende Kurvenbewegungen, bringt er sehr warme und auch polare Luftmassen nahe zueinander. Die Grenze von kalter und warmer Luft beginnt sich wegen der Erdrotation zu drehen, ein Tiefdruckgebiet ist entstanden. Die warme Luft wird dann auf der Vorderseite des Tiefs mit der Warmfront nach Norden gedrückt, während die kalte Luft auf der Rückseite des Tiefs hinter der Kaltfront nach Süden vorstösst. Da die Kaltfront schneller unterwegs ist als die Warmfront, vereinen sie sich allmählich zu einer Mischfront oder Okklusion. Diese wird grösser, je älter das Tief ist.
Abb. 1: Auf der Vorderseite eines Tiefdruckgebietes wird warme Luft nach Norden transportiert, auf der Rückseite kalte Luft nach Süden. An den Luftmassengrenzen entstehen Fronten (Kaltfront, Warmfront und Okklusion)
Die Dauer und Stärke von Winterstürmen
Bei einem Sturmtief kann der Wind im Vorfeld der Warmfront und zwischen den zwei Fronten für viele Stunden stürmische Stärke haben, im Bereich der Kaltfront werden oft aber die stärksten Böen gemessen. Grundsätzlich gilt:
- Je näher der Kern des Tiefs, desto stärker das Windfeld.
- Je tiefer der Luftdruck im Kern, desto stärker das Windfeld.
Winterstürme betreffen normalerweise das Wetter in der ganzen Schweiz, die Alpen sorgen aber je nach Anströmungsrichtung für lokale Wetter- oder Windschutzeffekte. Der Durchzug eines Sturmtiefs dauert von einigen Stunden bis zu einem halben Tag, es kann aber auch vorkommen, dass immer wieder neue Windfelder von mehreren Sturmtiefs aufziehen und sich das windige, stürmische Ereignis über mehrere Tage hinweg zieht.
Europäische Winterstürme der Vergangenheit
Die Winterstürme von 1990 (Vivian), 1999 (Lothar) und 2007 (Kyrill) haben uns gezeigt, zu welch grossen Sach- und Personenschäden solche Naturereignisse imstande sind. Sie werden uns noch lange in Erinnerung bleiben.
Vivian:
Der Sturm suchte Europa vom 25. bis zum 27. Februar 1990 heim und kostete 64 Menschen das Leben. Der minimale Kerndruck betrug 940 hPa. Auf dem Pass des Grossen Sankt Bernhards wurden bis dahin noch nie registrierte Spitzenböen von bis zu 268 km/h gemessen, im Mittelland gab es verbreitet bis zu 160 km/h. Die Menge an Sturmholz betrug 4,9 Mio. m³. Bei der Aufarbeitung des Sturmholzes kamen schweizweit weitere 24 Personen ums Leben. In der Schweiz wurde die Schadenssumme auf gut 1 Milliarde Franken geschätzt.
Lothar:
Der Orkan richtete am 26. Dezember 1999 besonders in Frankreich, in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich die höchsten Sturmschäden der jüngeren europäischen Geschichte an. Infolge des Sturms und der Aufräumarbeiten starben etwa 110 Menschen in Europa, 29 davon in der Schweiz. Der tiefste gemessene Druck lag bei 962 hPa. Die stärksten Winde wurden auf dem Jungfraujoch mit 249 km/h und auf dem Uetliberg mit 241 km/h gemessen. In der Schweiz verursachte der Wintersturm 600 Millionen Franken an Waldschäden und 600 Millionen Franken an Gebäudeschäden. Im Kanton Nidwalden waren sogar rund ein Fünftel aller Gebäude beschädigt. Die geschätzte Schadenssumme aller quantifizierbaren Schäden in der Schweiz betrug rund 1,78 Milliarden Franken.
Kyrill:
Dieser Wintersturm fegte am 18. und 19. Januar 2007 durch Europa. Beim Ereignis verloren 47 Menschen ihr Leben. Der Minimaldruck betrug rund 960 hPa. In Zürich wurden Böenspitzen von 132 km/h erreicht. Auf dem Jungfraujoch wurden 150 km/h gemessen; 144 km/h waren es auf dem Säntis. Auf der Konkordiahütte in 2'850 m Höhe wurde die europaweit höchste Spitzenbö erreicht: 225 km/h. Insgesamt war der Sturm in der Schweiz ein "normaler" Wintersturm. Heftiger war er weiter nördlich, er verursachte gesamthaft Schäden in Höhe von etwa 10 Milliarden US-Dollar.
Abb. 2: Sturmschäden in NRW durch Kyrill. Foto: Wald und Holz NRW
Die Liste an kräftigen Winterstürmen könnte weitergeführt werden. Beispielsweise mit Sturm "Ruth", Sturm "Petra" oder Sturm "Burglind", dem letzten verheerenden Wintersturm in der Schweiz mit Windspitzen bis 200 km/h und einer Schadensumme von weit über 100 Millionen Schweizer Franken.
Hinweis
Über die Suchfunktion auf unserer MeteoBlog-Übersichtsseite können Sie nach älteren Stürmen und den damals verfassten Beiträgen suchen. Sobald sich neue Stürme abzeichnen, werden wir Sie auf unserem Wetterportal informieren. Am besten auch gleich das kostenlose MeteoBlog-Newsmail abonnieren (ganz unten auf der Seite), damit Sie von uns rechtzeitig über neue Beiträge informiert werden.